Wie das so ist, beim Menschen – zu irgendeinem Zeitpunkt klickt es im Kopf einmal aus. Auch bei mir kam dieser Moment…
Nach dem Alpenurlaub 1990 mit der Honda CBR1000 bin ich aus irgendeinem Grund, den ich heute nicht mehr nachvollziehen kann, vollkommen fixiert auf eine Boxer-BMW. Vielleicht deshalb, weil ich eben dort in Bayern viele dieser Fahrzeuge gesehen habe. Also mache ich mich auf die Suche nach einem entsprechenden Fahrzeug. Alle Motorradhändler der näheren Umgebung bekommen Besuch von mir. Relativ schnell finde ich dann auch ein wirklich schönes Exemplar bei einem Yamaha/BMW-Händler in Finnentrop. Es ist eine BMW R80G/S mit toller, roter Lackierung und lediglich knapp 30000km auf dem Tacho.
Nach einigem hin und her tauscht der Chef der Fa. Zweiradcenter Lubeley meine wunderbare CBR1000 SC21 gegen diese BMW R80G/S. Ich bekomme ohne Zuzahlung sogar einen Satz originale BMW-Koffer dazu.
Die ersten Fahrten mir dem neuen Motorrad sind für mich dann ernüchternd. Die 135 munteren Pferde der CBR gewohnt, fahre ich nun mit 50PS durch die Gegend. Auch ist vom seidenweichen Motorlauf des CBR-Triebwerks nichts mehr zu spüren. Die BMW schüttelt sich, speziell bei niedriger Drehzahl, wie ein begossener Pudel.
Nach einigen Tagen mit der BMW erfreue ich mich dann aber an der enormen Handlichkeit und dem kräftigen Duchzug des Boxers bei geringen Drehzahlen. Für den Einsatzbereich, für den ich das Motorrad nutze, ist es sehr gut geeignet. Bedingt durch den Boxermotor mit den herausstehenden Zylindern, hat die G/S einen recht tiefen Schwerpunkt. Dieser niedrige Schwerpunkt der BMW und die daraus resultierende hervorragende Wendigkeit sorgt dafür, dass ich auf den kurvigen Strecken des Sauerlandes trotz deutlich geringerer Leistung problemlos mit erheblich stärkeren Maschinen mithalten kann.
Speziell bei Supersportmaschinen macht es mir viel Spaß, die Fahrer auf kurvigen Strecken zu jagen und später die verdutzten Gesichter zu sehen. Viele Fahrer sind dann sehr erstaunt, da sie einer „dicken Enduro“ diese Kurventauglichkeit nicht zugetraut haben.
Eines Tages habe ich dann auch ein wirklich lustiges Erlebnis, das allerdings nichts mit der Handlichkeit, sondern eher mit der gewählten Fahrstrecke zusammenhängt:
Ich fahre mit einem Bekannten, er fährt eine BMW R100GS Paris-Dakar, gemütlich mit knapp 100km/h über eine Landstraße. Auf einem freien Streckenabschnitt werden wir dann von zwei Suzuki GSX-R 1100 in atemberaubender Geschwindigkeit überholt. Ich schätze die von den beiden gefahrene Geschwindigkeit auf mindestens 200km/h. Wir fahren unbeeindruckt unseren Schnitt weiter. Unser Ziel ist der Motorradtreffpunkt am Sorpestausee. Zwischendurch zweigen wir noch von der Hauptstrecke ab, um einen kürzeren, aber sehr reizvollen Streckenabschnitt über Mellen unter die Räder zu nehmen. Eben zu dem Moment, bevor wir wieder auf die Uferstrecke des Sorpestausees treffen, rasen auch unsere zwei GSX-R Piloten vorbei. Sie haben uns offenbar nicht wahrgenommen. Jetzt sind es nur noch wenige Meter bis zum Treffpunkt, wo auch die zwei Raser einen Stopp einlegen. Unmittelbar nachdem die GSX-R Piloten eingeparkt haben, fahren auch wir auf den Parkplatz. Wir steigen ab, gehen zu einer GSX-R, schauen uns sehr interessiert das neue Motorrad an, um uns dann zu sagen:
“Ich hatte eigentlich gedacht, daß die neuen Motorräder etwas schneller sind“.
Die erstaunten Gesichtszüge der beiden Suzuki-Fahrer lassen mich noch Jahre später über das Ereignis schmunzeln!
Die BMW macht in der ganzen Zeit, in der ich sie fahre, keinerlei Probleme. Ein wenig Wartung und Einstellarbeiten vorausgesetzt, läuft der Motor sauber und ohne zu mucken.
Was mich allerdings dazu getrieben hat, die Honda gegen diese BMW einzutauschen, weiß ich heute wirklich nicht mehr. Ich habe mit der BMW zwar viele schöne Touren unternommen, sie hat nie wirkliche Probleme bereitet, aber die CBR ging mir irgendwie nie aus dem Kopf.
Später gebe ich dann auch diese BMW wieder ab und besuchte das Lager der Zweitaktfahrer. Eine Yamaha RD350YPVS bekommt den Zuschlag. Mit 59 realen und 50 offiziellen Pferdchen steht dieses Motorrad recht gut im Futter. Der Durchzug ist zwar erwartungsgemäss nicht überwältigend, wenn man aber fleissig in der Schaltbox rührt, dann bewegt sich auch etwas. Die Akustik dieses Motors kommt daher, wie die einer Rennmaschine. Einmal im optimalen Drehzahlbereich angelangt, der bei ca. 6000 U/min beginnt, schnellt die Nadel blitzartig in Richtung des roten Drehzahlbereichs. Die RD ist ein Motorrad, mit dem man eigentlich nicht langsam fahren kann.
Auf Dauer wird mir diese Motorcharakteristik aber doch zu anstrengend. Viele kritische Situationen und auch der bislang einzige Sturz mit einem Motorrad begleiten mich in dieser Zweitakt-Zeit:
Ein sonniger Tag, Urlaub und zu Hause nichts zu tun – ein Grund, sich auf die RD350 zu setzen und loszufahren. Ich fahre eine grosse Runde durch das Sauerland, vorbei an Möhne- und Sorpestausee, bevor ich wieder zu meiner Hausstrecke zurückkomme. Die Allendorfer Höhe fahre ich mehrmals auf und ab. Alles läuft hervorragend und bereits mehrfach habe ich die Maschine exakt am richtigen Punkt abgeklappt, um mit ca. 80km/h die oberste Kurve zu nehmen.
Dieses mal allerdings verpasse ich diesen Punkt um ein oder zwei Meter. Ich bemerke meinen Fehler sofort und lege die RD extrem in Schräglage. Trotzdem, dass ich mich bereits im Grenzbereich befinde und die Fuhre aufgrund der schon leicht schmierenden Reifen extrem unruhig wird, reicht die Strasse nicht mehr aus und ich komme mit den Reifen auf den unbefestigten Randstreifen, wo sofort die Maschine wegrutscht.
Ich weiss nicht mehr, wie ich dorthin gekommen bin – plötzlich befinde ich mich auf jeden Fall auf der, der Fahrbahn abgewandten Seite der Leitplanke. Das Motorrad klemmt unter der Planke. Ich rappele mich wieder auf und sehe mich verdutzt um. Hier hat der für mich abkommandierte Schutzengel ganze Arbeit geleistet! Ein paar blaue Flecken im rechten Beckenbereich – ansonsten sind an meinem Körper, sicher nicht zuletzt aufgrund der Leder-Schutzkleidung, keine Defekte zu vermelden. Auch mit der Technik habe ich viel Glück. Ein abgebrochener Spiegel, ein verbogener Kupplungshebel und ein paar Schrammen am linken Motordeckel sind hier sichtbar. Das hätte wahrlich böse ausgehen können…
Der Grund dieses Sturzes ist meiner Meinung nach vorrangig in meiner Unachtsamkeit zu suchen. Ein wenig trug aber sicher auch die extrem nervöse Charakteristik der RD bei.
Ich jedenfalls habe aus diesem Sturz gelernt und mich seitdem auf öffentlichen Strassen nicht mehr so dicht am Limit bewegt. Ein wenig Reserven, um unvorhergesehene Situationen bewältigen zu können, sollte sich jeder Motorradfahrer im eigenen Interesse bewahren. Ich jedenfalls bin sehr froh, diese Einsicht so “billig” erfahren zu haben. Viele Menschen haben vergleichbares mit erheblich schwereren Verletzungen, oftmals sogar mit ihrem Leben bezahlen müssen.