Urlaub 1982

Der Urlaub im Jahr 1982- für mich ein Horror. So lange ich zurückdenken kann, fahren meine Eltern oder Großeltern mit mir nach Zingst an die Ostsee in Urlaub. Dort lebt die Cousine meiner Mutter, Gertrud mit ihrem Mann Kurt auf einem kleinen Hof. Während sich Kurt um Pumpenanlagen zum entwässern von Gräben auf der Halbinsel kümmert, sorgt sich Gertrud um Hof und Gäste. Sie vermietet Zimmer an Urlauber.

Zingst ist wirklich ein herrlicher Fleck auf unserer Erde! Ich glaube, ich war zu der Zeit einfach nur zu oft dort, so daß die tolle Gegend für mich einfach den Reiz verloren hat. Heute besuche ich diese Gegend wieder gern. Ich möchte aber auf jeden Fall versuchen, mit meinem Sohn Lukas nicht den gleichen Fehler, wie meine Eltern zu machen, wenn auch der eigentliche Grund meine Gesundheit war. Ich hatte früher sehr viele Probleme mit den Atemwegen und die Seeluft hat mir immer gut getan. Trotzdem, heute wir fahren nicht immer an die gleiche Stelle.
Es soll hier aber nicht um die Gegenwart, sondern um das Jahr 1982 gehen.

Dieses Jahr ist der Urlaub für mich besonders schlimm. Ich kann mein Mofa nicht mitnehmen, wobei es doch zu dieser Zeit mein ein und alles ist. So setze ich mich schon zu Hause voreingenommen ins Auto. Keine wirklich guten Voraussetzungen für einen gelungenen Urlaub…
So bin ich auch nicht sehr begeistert, als wir am Hof von Tante Gertrud ankommen. Die gleiche Gegend, wie all die Jahre vorher. Der gleiche Ablauf: großes Hallo, Kaffee trinken, reden, spazieren gehen- genau das richtige für einen 15-Jährigen.
So wird meine Laune auch von Tag zu Tag schlechter. Das bleibt meinem Umfeld natürlich nicht verborgen.

Eines Morgens nimmt mich Kurt dann an die Hand. Wir fahren mit seinem Moped (einer Simson S50) seine Tour zu den Pumpen. Bis zu diesem Tag wußte ich nicht, wie seine Arbeit genau aussieht. Aber sein Versuch kommt an – mein Gemütszustand wird schlagartig besser. Wir fahren die Pumpenhäuser an und prüfen gemeinsam deren Funktion. Die Pumpanlagen haben die Aufgabe, das Grabennetz des Ortes zu entwässern und den Wasserspiegel in den Gräben auf dem gewünschten Stand zu halten. Zur Überprüfung werden die Pumpen jeweils kurze Zeit auf Vollast gefahren. Die dadurch entstehende Gewalt ist schon faszinierend.
Das beste ist aber: ich darf auf dem Moped mitfahren. Das ist für mich im Moment das größte. Die Geschwindigkeit dieses Mopeds ist für mich absolut neu. Aber das beste kommt erst noch…
Nachdem die Pumpentour beendet ist, läßt mich Kurt allein mit der Simson fahren. Ein festgefahrener Feldweg dient mir als Fahrstrecke. Mehr als eine Stunde fahre ich so meine Runden. Diese Erfahrung verursacht jedenfalls meinen Entschluß, daß ein Mofa nicht alles sein kann. Die Nacht kann ich kaum schlafen, weil ich die ganze Zeit an das am Tag erlebte denken muß.
Jetzt ist auch die restliche Zeit des Urlaubs eigentlich viel zu kurz. Jeden Tag fahre ich mit Kurt seine Pumpentour ab. Da sieht man, wie einfach es ist, einen 15-Jährigen zu begeistern. Ich werde es mit Lukas sicher nicht so einfach haben – er kennt halt Motorräder und wächst mit ihnen auf. Ich weiß nicht, ob ihn ein schnödes Moped auch so begeistern wird, wie mich im Jahr 1982.

Dieser Beitrag wurde unter Lebenslauf veröffentlicht. Setze ein Lesezeichen auf den Permalink.

Schreibe einen Kommentar

Deine E-Mail-Adresse wird nicht veröffentlicht. Erforderliche Felder sind mit * markiert